Vorannahme

verfasst von Prof. Dr. H. Geißler  am 29. 09. 2022

 

Im Laufe unseres Lebens entwickeln ein vielfältige Wissen über uns und die Welt. Dieses können wir zum einen in Form von Aussagen und zum anderen in Form von Wünschen, Geboten, Verboten u.ä. ausdrücken. Wir könne also z.B. sagen: "Das Wetter ist gut." Oder: "Das Wetter sollte endlich besser werden." Bei allen diesen - beschreibenden oder normativen - Äußerungen gehen wir immer von Vorstellungen aus, die wir für so selbstverständlich halten, dass wir es nicht für notwendig halten, sie explizit zu nennen oder zu erklären. Diese selbstverständlichen Vorstellungen, die sozusagen in unsere Äußerungen eingebaut sind bzw. auf denen unsere Äußeren aufbauen, nennen wir Vorannahmen. Bezogen auf die beiden obigen Beispiele könnte das bedeutet,  von der Vorstellung ausgehen, dass "gutes Wetter" Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen bedeutet.

Für Coaching ist die Aufdeckung dieser Vorannahmen von großer Bedeutung. Denn sie sind sozusagen der blinde Fleck unseres Wissen und damit häufig eine zentrale Ursache dafür, dass die Probleme der Coachees bisher nicht lösbar waren.

In diesen Sinne können wir zwei Lernebene unterscheiden, nämlich ein Lernen, das auf die Verbesserung der vorliegenden Kompetenzen zielt, ohne dass dabei die zugrunde liegenden Vorannahmen reflektiert und weiterentwickelt werden. Diese Lernebene wird im Anschluss an die Arbeiten von Argyris & Schön als Single-Loop Learning bezeichnet.

Die Alternative hierzu ist Double-Loop Learning, d.h. ein Lernen, das zusätzlich auch die kritische Auseinandersetzung mit den vorliegenden Vorannahmen einschließt.

 

Literatur:

Argyris, Chr. & Schön, D. (1978). Organizational leaning: a theory of action perspective. Reading, Mass.

Geißler, H. (2018). Organisationspsychologie III - Grundlagen Coaching. Was ist Coaching? Hamburg: Hamburger Fern-Hochschule

Geißler, H. & Rödel, S. (2023). Praxishandbuch professionelles Online-Coaching. Weinheim, Basel: Beltz