verfasst von Prof. Dr. H. Geißler am 20. 07. 10. 2022
Erkenntnistheorien setzen sich mit der Frage auseinander, wie für Menschen - und auch für Tiere - Erkenntnisse möglich sind und welche Bedeutung die diesbezüglichen Voraussetzungen für die grundlegenden Merkmale entsprechender Erkenntnisse haben.
In Auseinandersetzung mit dieser Frage sind in der mehr als 2000-jährigen Philosophiegeschichte grob formuliert zwei gegensätzliche Antworten entwickelt worden.
Die erste geht von der Vorannahme aus, dass es zumindest annäherungsweise möglich ist, die vorliegende Wirklichkeit bewusstseinsmäßig abzubilden. Diese Position wird als erkenntnistheoretischer Realismus bezeichnet.
Die Alternative hierzu ist der erkenntnistheoretische Konstruktivismus. Hier wird von der Vorannahme ausgegangen, dass Menschen - und auch Tiere - ihre objektive Wirklichkeit immer nur mit Hilfe ihrer Wahrnehmungssinne und der Gehirnaktivitäten erfassen können, welche die wahrgenommenen Sinnesdaten verarbeiten. Die Vorstellungen über die objektive Wirklichkeit - und damit auch über das eigene Coachingproblem - sind deshalb immer subjektive Konstruktionen. Und das Wesentlich ist dabei, dass diese Vorstellungen die Funktion einer Self-Fullfilling-Prophecy haben. Denn wenn man in diesem Sinne an das denkt, was man als Problem erlebt, gerät man unwillkürlich in eine Problem-Trance bzw. Selbsthypnose (Gunther Schmidt), die die Problemvorstellung Wirklichkeit werden lässt.
Das Positive dieser Sichtweise ist, dass damit auch das Umgekehrte möglich wird. D.h. wenn ich mir ganz konkret wie in einem Film, den ich erlebe, eine Lösung vorstelle, gerate ich automatisch in eine Lösungs-Trance, die zur Lösung des Problems führt. Diese Möglichkeit ist der konzeptionelle Mittelpunkt des hypnosystemischen Online-Coachings.
Literatur
Geißler, H. (2018). Organisationspsychologie III - Grundlagen Coaching. Was ist Coaching? Hamburg: Hamburger Fern-Hochschule
Schmidt, G. (2004). Liebesaffären zwischen Problem und Lösung. Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten. Heidelberg: Carl Auer Verlag