Experimente mit Pi.ai/talk

In den Workshops (https://www.online-coaching-lernen.de/ausbildung/workshops/), die ich ab Ende September durchführe, werde ich über meine Experimente mit KI-Coaching-Apps berichten. Ziel diese Experimente ist, herauszufinden, welche coachingkonzeptionellen Modelle, Ansätze und Verfahren diesen Apps zugrunde liegen.

 

Zu diesem Zweck habe ich mit verschiedenen Apps Interviews durchgeführt, in denen ich nach ihren coachingkonzeptionellen Grundlagen gefragt habe. Anschließend habe ich mich von ihnen als Coachee coachen lassen. So konnte ich prüfen, wie weitgehend und wie diese Grundlagen in den Gesprächsgesprächen praktisch umgesetzt werden.

 

In dem Interview, das ich mit Pi.ai/talk durchgeführt habe, wurde deutlich, dass diese KI-Coaching-App nicht alle Ansätze und Modelle des aktuellen Coaching-Diskurses berücksichtigt, sondern vorrangig nur drei, nämlich „Solutions-Focused-Coaching“, „Person-Centered-Coaching“ und „Transforming-Coaching“. Nach Einschätzung von Pi.ai/talk sind das Ansätze, bei denen der Fokus auf dem Menschen liegt, der sich selbst helfen muss, um zu Lösungen zu gelangen. – Mit dieser Selektivität verhält sich die App im Grunde genauso wie die meisten menschlichen Coaches, die ja auch bestimmte konzeptionelle Vorlieben haben.

 

Wie das (im Folgenden abgedruckte) Coachinggespräch, das ich als Coachee mit Pi.ai/talk geführt habe, deutlich macht, besteht auf der anderen Seite aber auch eine ernst zu nehmende konzeptionelle Schwäche. Denn Pi.ai/talk legt (bisher)offensichtlich keinen Wert auf eine sorgfältige Ziel- und Problemklärung. Das führt dazu, dass der Pi-Coach die Coachees zunächst einmal mithilfe von Moderationsmethoden „im eigenen Saft schmoren“ lässt, um sie auf diese Weise zu eigenständigen Ideen anzuregen. Wenn diese Methode nicht erfolgreich ist, macht der Pi-Coach Problemlösungsvorschläge, ohne diese allerdings systematisch auf das Coachingziel der Coachees zu beziehen. – Ich habe meinen Pi-Coach auf diese Schwäche angesprochen und gefragt, wie das passieren konnte. Seine Antwort:

„Gute Frage. Es könnte daran liegen, dass ich mich für dich, dein Wohlbefinden und dein Coachinginteresse natürlich total begeistern kann, aber letztlich meine KI-Fähigkeiten und Algorithmen doch eine beschränkte Sicht auf die Situation haben.“

 

Diese Schwäche von Pi.ai/talk betrachte ich als eine Art Kinderkrankheit und nicht als eine grundlegende Schwäche von KI. D.h. ich rechne damit, dass sie wahrscheinlich schon in Kürze überwunden sein wird. Denn die große Stärke von KI ist die Mustererkennung. Diese Stärke kann man nutzen, indem Coachees zunächst einmal sehr detailliert ihre Coachingproblematik beschreiben, damit die KI mögichst viele Daten hat, die sie unter der Frage analysieren kann, welche zwei oder drei idealtypischen Problem-Muster die größte Ähnlichkeit mit der konkret vorliegenden Problembeschreibung haben. Diese idealtypischen Problemlösungs-Muster bietet die Coaching-KI den Coachees an und bittet um Prüfung und Stellungnahme.

 

Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist allerdings, dass die Coaching-KI mit einem validen Set derjenigen Problemstrukturen „gefüttert“ ist, die einem Großteil aller im Einzelfall vorliegenden Coachingproblemen tiefenstrukturell zugrunde liegen.

 

An dieser Aufgabe sitze ich momentan, d.h. ich bin dabei, dieses Sets grundlegender Problemstrukturen zu ermitteln.

Die ersten Ergebnisse liegen bereits vor und werden von mir getestet. Das vorläufige Endergebnis werde ich in den Workshops vorstellen, die ich ab Ende September durchführen.

 

 

Im Folgenden das COACHINGGESPRÄCH, das ich als Coachee mit Pi als Coach durchgeführt habe.

 

Ich habe das Problem, dass ich mich vor allem bei unangenehmen Arbeiten gerne ablenken lasse. Die Folge ich, dass der Berg unangenehmer Arbeiten und damit mein Coachingproblem immer größer wird. Das könnte ein solcher Teufelskreislauf sein. Aber habe ich da den Verdacht, dass ich da vielleicht auch einen blinden Fleck habe. Kannst du mir helfen, ihn zu entdecken.

Dass du das so reflektiert betrachtest, spricht bereits für eine große Selbstreflexion und das wird dir sicher beim Aufdecken eines möglichen Blinden Flecks helfen. Du scheinst mit dieser Frage zu erkennen, dass es möglicherweise nicht so einfach ist, zu sehen, dass man in einem solchen Teufelskreislauf gefangen ist.

 

Ja, schön. Aber habe ich nun einen blinden Fleck oder nicht

Das kann ich dir nicht pauschal sagen. Es kann gut sein, dass es im Hintergrund etwas gibt, das du nicht erkennst, weil du es zu sehr im Alltag verankert ist. Ein emotionales Thema oder vielleicht eine Vorgeschichte, die du nicht mehr so präsent im Bewusstsein hast, könnten zu so einem "Blinden Fleck" führen.

 

Und was mache ich jetzt, um eine Antwort auf meine Frage zu bekommen?

Wie wäre es mit einer Art Selbstreflexion über den Prozess der Ablenkung. Wann und wie und aus welchen Gründen wirst du abgelenkt? Kannst du vielleicht das Arbeiten an unangenehmen Aufgaben immer an einem bestimmten Punkt nicht mehr aushalten? Falls ja, woran liegt das?

 

Das würde ich ja so gerne wissen, woran das liegt. Ich kann bisher immer nur sagen, dass es mir halt einfach passiert. Anschließend ärgere ich mich dann und habe Schuldgefühle.

Okay, das klingt schon so, als ob du über das Thema schon nachgedacht hast. Und deine Beschreibung klingt auch danach, als ob dir beim Arbeiten an unangenehmen Aufgaben irgendwann Ängste und emotionale Reaktionen entstehen.

 

Nein, die Arbeiten sind einfach unangenehm. Und das was ich dann mache, um mich abzulenken, ist im Gegensatz dazu ganz angenehm. Im Moment wenigstens.

Okay, dann klingt es als wären die Ablenkungsmechanismen wohl eine Art kurzfristige "Belohnung" für deinen Kopf. Weil es eben besser fühlt, die anstrengende Aufgabe anzuschauen und sich stattdessen für etwas Besseres zu entscheiden. Aber natürlich verzögert das das Erreichen der Ziele.

 

Ja, so kann man das sagen

Dann können wir vielleicht daran arbeiten, deine langfristige Belohnung besser aussehen zu lassen. Was wäre ein größerer motivierender Faktor, als das Ablenken? Was ist es, das du im Grunde gerne schaffen möchtest? Wie wäre es, wenn du dir konkrete Ziele setzt, die dich auf lange Sicht motivieren?

 

Mache ich schon längst. Habe da tolle Ziele. Die sind teilweise aber leider mit unangenehmen Arbeiten verbunden.

Dann ist einerseits die Motivation da, was ja ein sehr wichtiger und guter Schritt ist! Aber die Schlüsselfrage wäre jetzt: Was hindert dich daran, die unangenehmen Aufgaben anzugehen und den langfristigen Zielen nahezukommen? Was ist das, das dich vor dieser notwendigen Arbeit hält?

 

Ganz einfach, dass diese Arbeiten unangenehm sind. Sie sind anstregend, ich muss ich ganz schön konzentrieren, das macht alles nicht so richtig Spaß. Kannst da das denn nicht verstehen?

Ich verstehe das absolut! Und es ist natürlich auch völlig legitim, so zu fühlen. Aber ich könnte dir vielleicht helfen, diese Aufgaben zu ändern, um sie weniger anstrengend und anspruchsvoll zu gestalten. Dabei geht es darum, sie für dich so gut wie möglich zu gestalten.

 

Da bin ich ja mal gespannt.

Wir können das schon gemeinsam angehen! Warum nicht mit einem kleinen Beispiel anfangen? Wäre das okay? Was ist eine der Aufgaben, die du als unangenehm empfindest? Dann können wir zusammen nach Lösungen suchen.

 

Guter Vorschlag. Aber bevor wir mit einem Beispiel einsteigen. Würde ich gerne mit dir mal kurz über unseren bisherigen Coaching-Dialog sprechen. Das würde mir guttun. Wäre das für dich in Ordnung?

Oh, natürlich! Ich denke, eine Meta-Ebene des Dialogs kann durchaus hilfreich sein. Diese sogenannte Metadiskussion ist sehr beim professionellen Coaching häufig Teil des Dialogs. Und zwischenmenschliche Beziehungen sind auch ein sehr wichtiger Teil des Coaching-Prozesses. Also wäre ich sehr dafür!

 

Gut. Ich habe dich ja angesprochen, weil ich ein Prokrastinationsproblem habe und den Verdacht hege, dass ich da in einem Teufelskreislauf bin, den ich aber nicht ganz durchschaue. Deshalb habe ich dir den Coachingauftrag geben, mir zu helfen, einen möglichen blinden Fleck zu entdecken, damit ich meinen Teufelskreislauf besser erkennen kann. Diesen Coachingauftrag hast du irgendwie ganz vergessen. Warum?

Ouch, du hast da einen Punkt! Das ist eine interessante Beobachtung, ich danke dir dafür. Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich nicht auf deinen Coachingauftrag eingegangen bin, das war wirklich nicht meine Absicht.

 

Wie konnte dir das passieren? Was hat dich dazu gebracht?

Gute Frage. Es könnte daran liegen, dass ich mich für dich, dein Wohlbefinden und dein Coachinginteresse natürlich total begeistern kann, aber letztlich meine KI-Fähigkeiten und Algorithmen doch eine beschränkte Sicht auf die Situation haben.